Von Susann Klossek
Das
lob ich mir:
Stricher in freier Wildbahn
sagte R.
bei uns ist das ja alles längst ausgerottet
auf dem Plaza Mayor schlichen die Freier
wie hungrige Hyänen umher
ihre potentielle Beute
hatte gut zu tun
sonst war nichts los
in Guatemala City
Manchmal
steht einer
in Cowboyhut und Gummistiefeln
mit ner Machete in der Hand
mitten in der Prärie am Straßenrand
und du kannst nie ganz sicher sein
ob er mit seinem Bauernsäbel
gleich Mais oder dir ein Körperteil
abhauen wird
am Ende steht er dann meistens
nur so da
und wartet wohl darauf
dass sein Gaul
von der Mittagspause zurückkehrt
Das
Meer schwängert die Luft
es riecht nach Schalentier
und duftet nach Jasmin
Nymphensittiche in grünen Nestbau-Uniformen
fliegen Zweige für ihre Baumhäuser ein
in der Weite liegt die
WAHRHEIT
du bist da
und auch irgendwie weg
der Ozean grummelt
als wollte er gleich ein U-Boot erbrechen
in bin zufrieden
ein Zustand
der dem flüchtigen Glück folgt
Wenn
ich hier so sitze
und auf den Rio Dulce schaue
an diesem angenehm kühlen Nachmittag
bei nur 28 Grad
denke ich kurz an dich
wie du immer nur in deinem
kleinen Dunstkreis verkehrst
der kaum weiter
als dein Gesichtsfeld reicht
während ich die weite Welt bereise
und jeden Tag an ihr wachse
und auch über dich hinaus
Der
Deckenventilator eiert
störrisch seine Runden
er erinnert mich ein bisschen an mich
aufgeben is’ nicht
eines Tages wird er
an den Kanten der Realität zerschellen
In
meiner Holzhütte die Duschkabine
ist wie aus einem DDR-Wohnwagen
und die Seife riecht nach Osten
und beides gibt mir ein schönes Gefühl
aus einer Art Kofferradio
dudelt leise 70-er-Jahre-Sound
in der Ferne grummelt der Wettergott
lechzt wohl nach einem neuen Menschenopfer
Fächerpalmen biegen sich ehrfürchtig
gen Boden
der Nieselregen
wie kleine Nadeln auf der Haut
el Capitan von der «Wanderlust»
(3 Mio. US-Dollar, wahrscheinlich Drogengeld)
wankt rauchend durch den Pool
meine Hütte trägt den Namen India
ausgerechnet
als hätten die was geahnt
es hätte allerdings auch schlimmer kommen können
die Nachbarshütte heißt Kilo
da wäre ich theoretisch die Richtige
und als wäre das nicht genug
wird das «i» in Kürze runterfallen
Im
Etablissement Illusions
herrscht Hochbetrieb
eine miese Absteige in der Calle 14
für feuchte Träume im Stundentakt
an der Ecke steht ein Glitzergirl
und wartet auf den nächsten Freier
ich bin vom T-Bone-Steak vollgefressen
und würde im Grunde
auch eine Runde auf dem Gaucho vertragen
Wenn
der Pilot bei der Landung in San José
zwei Meter überm Boden durchstartet
und dann fröhlich Runde um Runde
durchs Gewitter cruised
und du nach vier Stunden in Liberia landest
tröstet es dich nicht wirklich
dass das nicht in Afrika liegt
Susann Klossek studierte in Leipzig Germanistik und Slawistik – ein Studium, das bekanntlich zu nichts führt. Im Zuge der Wende verschlug es sie nach Zürich, von wo aus sie acht Jahre lang Rohöldestillationsanlagen nach Russland verkaufte. Später wechselte sie in den Journalismus und war für verschiedene Medien sowie für das Schweizer Fernsehen tätig. Heute ist sie als selbständige Autorin tätig. Bisher sind 12 Bücher (Reisereportagen, Gedichte, Shortstories, Zeichnungen) von ihr erschienen, zuletzt: „Varanasi – Endstation Ganges“ und „Zurück aufs Eis – Wie man keinen Roman schreibt“.
Die vorliegenden Gedichte sind ein Auszug aus „Fatum. Drei Pfade ins Nichts“ (Songdog Verlag Bern/Wien) mit Roadpoems, die auf Reisen in Ungarn, Indien, Guatemala, Sansibar, Borneo und Brunei entstanden sind. Es erscheint im Dezember 2020. Unter http://nichtsundwiedernichts.blogspot.com/ schreibt sie einen Blog. Klossek bereiste mehr als 50 Länder, ihr Fazit: Der Mensch ist ein Auslaufmodell.